Weihnachtszeit, Adventszeit, Zeit der Weihnachtsfeiern, Zeit der Besinnlichkeit, Zeit sich zu besinnen.
Im September haben wir Werner verloren. Er ist am Tag der Bürgermeisterwahl, seiner Wahl, kurz vor Schließung der Wahllokale gestorben. Die Nachricht ereilte uns, als wir gerade dabei waren, die verlorene OB-Wahl zu verdauen. Auf einmal justierten sich Dinge völlig neu. Ein Genosse formulierte spontan und treffen: „Wahlen kann man alle paar Jahre verlieren, einen Menschen einmal.“ Ich habe seit dem häufig an diesen Satz gedacht.
Dieser Tod war der Grund, weshalb schon bald klar war, dass wir dieses Jahr unsere Fraktionsweihnachtsfeier nicht wie in den Jahren zuvor mit Nikolaus und Hans Muff und anderem feiern werden. Ein Weihnachtsessen, um in großer Runde zusammenzusitzen, an die schönen, schrägen, traurigen Dinge zu denken, zusammen zu lachen, zu sinnieren, beisammen zu sein.
Und dann das: Hubertus fällt vom Fahrrad, quält sich noch eine Woche zur Arbeit, geht dann doch zum Arzt, Diagnose gebrochener Wirbel. Dann ein paar Tage später: Krebs, aggressiv und weit fortgeschritten, rund eine Woche später: Tod. Mit 51 Jahren. Mir fällt dazu eine Liedzeile von Herbert Grönemeyer ein: Das Leben ist nicht fair — geschrieben aus Anlass des Tods seiner Frau. Natürlich kam dann die Frage: Können wir in so einer Situation unser Weihnachtsessen machen? Für mich stand sehr schnell fest: Doch, ja, können wir. Vielleicht sogar gerade jetzt. Wir sollten uns jetzt nicht in unsere individuellen Trauerecken zurückziehen. Kraft schöpfen wir aus Gemeinschaft. Übrigens mit einer der Gründe, warum es den Leichenschmaus gibt! (Gut, der ist nach der Beerdigung, aber eben auch, um gemeinsam Trauer zu er-leben.)
So hatten wir am Freitag Abend unser Weihnachtsessen. Am Samstag morgen haben wir uns in aller Herrgotts Frühe um 6:00 Uhr mit einer kleinen Gruppe aus Bonn zusammen in einem Bus auf den Weg gemacht. Als wir in Lüdinghausen ankamen, dämmerte der Tag. Ein verschlafener Kaffee in einer Bäckerei, eine Kundin, die das Bonner Kennzeichen des Busses und unsere Beerdigungsgarderobe gesehen hatte, sprach uns direkt darauf an. Kleinstadt in Westfalen. Die Kirche Sankt Felizitas war annähernd voll: Familie, Freunde, Wegbegleiter.
Am Ende der Messe verlas ein Freund von Hubertus einen wunderbaren Text. Er ließ das Leben von Hubertus Revue passieren — von seiner Messdienerzeit über den Zivildienst, sein Studium, sein politisches Engagement. Und immer wieder sein Humor, vor allem auch seine häufig etwas schrägen oder unorthodoxen Problemlösungsansätze. Als markantestes Beispiel wird mir die Geschichte von einem Boules-Turnier bleiben. Hubertus hatte seine Kugeln deutlich zu weit an der „Sau“ vorbei platziert. Sein Freund fragte, was er denn nun machen solle. Hubertus’ Antwort: „Schieß’ die Sau zu meinen Kugeln.“ Der Freund versuchte es, es gelang, die Partie wurde gewonnen. Warum ich das jetzt hier so wiedergebe? Den einen Grund habe ich vorher genannt: seinen Humor, seinen Optimismus. Ein zweiter ist mir hier aber noch wichtiger: Die ganze Trauergemeinde in der Kirche hat gelacht, gelacht, am Ende des Trauergottesdienstes!
Ja, wir hatten einen schönen Abend bei unserem Weihnachtsessen! Wir haben viel gelacht. Ich bin mir sicher, Werner und Hubertus hätt’s gefallen!
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