Jedesmal, wenn wir zu mehr als einen Tag bei meinen Eltern in meiner “alten Heimat” am Niederrhein sind, machen wir eine Niederrhein-Tour. Zu Zielen, wo wir schon lange nicht mehr waren, noch nie gewesen sind oder wo es neues zu besichtigen gibt. Folgende zwei Stichworte waren dieses Mal im Vorfeld gefallen: “Schinkelkirche am Niederrhein” und “Ausstellung zu Römischen Wasserleitungen”. Beides musste erst recherchiert werden, denn beim ersten war allseits die Verwirrung groß: Wo steht die denn? Beim zweiten: Wo ist die Ausstellung denn überhaupt? Antworten: 1) Götterswickerhamm und 2) im LVR-Römer Museum. Götters-was??? Ah, bei Voerde. Gut. Lässt sich gut mit Xanten (2) verbinden.
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Ausflug im Regen
“Ich kann es nicht mehr sehen, dieses Grau und den Regen” sagte Stephan heute morgen beim Frühstück. “Entweder gehen wir wieder ins Bett — oder wir fahren weg” — zwei Alternativen zum Wetterthema. Das Bett fiel heute wegen Rücken- und Kopfschmerzen aus, also mussten wir uns etwas überlegen. Dorthin zu fahren, wo die Sonne scheint, hätte einen Zwischenstopp am Flughafen erfordert. Für einene Sonntagsausflug zu aufwändig. Museum schied auch wegen Rückens aus. Dann die Idee: über die Grenze, um dann gleichzeitig zu testen, ob die Auslandsoptionen im Handy nun endlich funktionieren (nach unserem völlig abgeschaltet-sein-Erlebnis in Maastricht im letzten Herbst). Bein Blick in die Karte kam die Idee: Banneux. Mal wieder Marienwallfahrtsorte anschauen, populare Frömmigkeitsformen begutachten. Auf dem Rückweg liegt dann Moresnet-Chapelle sozusagen auf dem Weg. Damit war die Tagesplanung gefixt: Nun noch warm anziehen, Wanderschuhe, Wasser und Wegzehrung einpacken und los gehts. Tatsächlich regnet es die ganze Hinfahrt über. Belgien, gerade die Wallonie, ist im Regen besonders reizvoll: das (mehr oder weniger) leicht heruntergekommene, verschraddelte Belgien zeigt sich grau in gau von seiner eindrucksvollsten Seite. In Banneux angekommen finden wir direkt vor dem Wallfahrtsbezirk einen Parkplatz. Unglaublich — er kostet auch noch nix. Wir machen uns auf den Weg zur “neuen” Kirche, dem laut Karte zentralen Ort.
Während der Wallfahrtsbezirk, der sozusagen im Wald liegt, architektonisch relativ einheitlich aus den 1940er Jahren stammt, ist die zentrale Kirche eine 1980er-Jahre-seelenlose Versammlungshalle. Manches erinenrt an Lourdes, aber während die unterirdische Riesenbasilika dort eine interessante und durchaus spirituelle Ausstrahlung hat, erscheint uns der Bau in Banneaux als Mischung zwischen belgischem Ferienhaus und Bahnhofshalle.
Faszinierend aber die Michaelskapelle: Einen solchen gleichzeitig völkisch und fast schon tragisch anmutenden “Helden”-Erzengel habe ich noch selten gesehen. Es könnte auch eine Figur aus einem Fritz-Lang-Film sein: ob Metropolis oder seine Nibelungen-Interpretation. Ein schöner Kontrapunkt dazu ist Konrad Adenauer, dem dieser Wallfahrtsort anscheinend besonders am Herzen lag.
Und natürlich die Quelle, das Zentrum des — früher sagte man volksfrommen — Handelns. Egal ob kirchlich anerkannt oder nicht, Wasser hat eine besondere Anziehungskraft und wird ganz selbstverständlich zur Vermittlungsinstanz des Heiligen gedeutet. Und so wird das Wasser aus der Quelle abgezapft und mitgenommen, Menschen führen rituelle Waschungen durch, und natürlich ist das Wasser im zentralen Brunnen viel wirksamer als das aus den für die Nutzer angebotenen Wasserhähnen ringsherum.
Nach einem Besuch in der Erscheinungskapelle und dem Entdecken der Bank aus Nordwalde sind wir, durchgefroren und nass, reif für einen Kaffee. Den bekommen wir natürlich auch hier: Am Busparkplatz haben sich eine Reihe von Devotionalienläden und Cafès angesiedelt. Im ‘Cafè Esplanade’ bekommen wir den Cafè au lait zwar nicht in der Boule, aber dafür mit leckerer belgischer Waffel. Mit Sahne und Puderzucker — die Kirschen sind bei der Bestellung untergegangen. Ja, und auch die Preise sind durchaus “Heilig”…
Nach der Stärkung geht es zurück Richtung Grenze, mit einem Abstecher nach Moresnet, in eine weitere, aber deutlich kleinere Wallfahrtskirche. Und während Banneux zu den typischen Erscheinungs-Wallfahrten des 19. und 20. Jahrhunderts gehört (in einer Reihe mit Lourdes und Fatima, die Erscheinungsberichte aus Banneaux stammen aus dem Jahr 1933) ist Moresnet-Chapelle eine eher traditionelle Marienwallfahrt, die auf ein Erscheinungserlebnis im 18. Jahrundert zurückgeht. Auf dem Weg dorthin müssen wir einen Umweg fahren — Straßensperrung. Manchmal sind solche Umwege lohnenswert: uns führt das Umleitungsschild über Henry-
Chapelle — und den dort angelegten großen Friedhof samt Memorial für amerikanische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg hier getötet wurden. Ein eindrucksvoller Ort: Die Inszenierung geht über das Visuelle hinaus, wenn um 17 Uhr Glockengeläut und Hymnen über Lautsprecher den Raum füllen.
Dagegen ist die kleine Wallfahrtskirche von Moresnet-Chapelle ein fast schon unscheinbarer und privater Ort. Außer uns ist kein Mensch hier. In der Seitenkapelle, in der die wundertätige Marienstatue aufgestellt ist, finden sich zahlreiche Zeichen der Verehrung und des Glaubens an die Wirksamkeit. Und hinter einer Nische, halb von einem Vorhang verdeckt, steht schon das Tragegestell für die Fronleichnamsprozession am nächsten Donnerstag.
Besondere Tage.
Eigentlich besuche ich in diesem Frühjahr Donnerstags einen Italienisch-Kurs bei der VHS hier in Bonn. Doch für heute hatte mich meine Fraktionsvorsitzende zum Neujahrsempfang der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Bonn “delegiert”: gleichzeitig tagte nämlich der Hauptausschuss, wo der gesamte Fraktionsvorstand hin muss. Also durfte ich in Vertretung hin. Es war für mich ein besonderer Abend, weil der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Nikolaus Schneider den Vortrag hielt. Ich kenne ihn seit meiner Jugend, als er noch Gemeindepfarrer in meinem Heimatkirchenkreis war, wir zusammen ostermarschiert sind etc. pp. Für den Präses war es auch ein besonderer Abend, da es, wie er selbst sagte, der letzte dienstliche Termin in der Rheinischen Kirche gewesen ist: am Sonntag geht er in den Ruhestand. An dem Tag, an dem der Papst in den Ruhestand geht (offiziell: emeritiert) sorgte das natürlich für den ein oder anderen Lacher. Am Rande: es war einer der besten und anregendsten Vorträge, die ich in den letzten Jahren gehört habe (Thema: “Nein zur Judenmission”).
Und dann das: In der U‑Bahn auf dem Weg nach Hause hing neben dem Sitz für Menschen mit Bewegungseinschränkungen ein Stock. In der Stadt, in der der ehemalige Papst, der ehemalige Josef Ratzinger an der Uni gelehrt hat. Ist das schon das erste Wunder? Werden nun Rufe “Santo subito!” laut? Aber er lebt doch noch, oder?