Am morgen haben wir bei trübem Wetter die letzten Aufräum- und Packarbeiten erledigt. Aber immer mehr kam die Sonne durch — und bei uns doch ein paar kleine Zweifel: Sollen wir wirklich heute schon fahren oder bleiben wir doch einfach bis morgen? Noch ein Tag hier im Schatten der Kiefer liegen? Aber blöd: die Bücherkiste ist schon eingepackt und ziemlich weit unten im Kofferraum verstaut. Und die Fahrt zum Bodensee verdammt weit. Also gut, Abschied vom Haus und den Wildschweinen und kleinen Drachen und los gehts.
Die Fahrt lief ohne große Störungen oder Verzögerungen, ganz entspannt an Florenz und Bologna vorbei. Pause an einem relativ großen (und vollem) Rastplatz der — eine Autobahnkapelle hat. Ich dachte immer, das sei typisch deutsch. Hier haben wir aber nett gepicknickt. Das Essen des mitgenommenen Jogurts, der schon ziemlich flüssig ob der Temperaturen war, gestaltete sich für Zuschauer interessant: keine Löffel dabei — und der in der Kaffeebar gekaufte Espresso (der letzte italienische, ein Drama für Stephan) lieferte nur einen kleinen Plastikstab zum umrühren mit.
Hier beim Kaffee diskutieren wir aus, wo wir nun unsere Zwischenstation machen wollen: zur Abstimmung standen Bozen, Verona — und Gardasee. Auf letzteren haben wir uns geeinigt. Also weiterfahren — bis zur Abfahrt Riva del Garda, die Nordspitze vom See. Schon die Landstraße war voll, vor allem voller deutscher Autos. Und Radfahrer. Massen von Menschen unterwegs. Wir hatten nach der Mautstation kurz gehalten und mit Stephans kleinem Zauberkasten ein Hotelzimmer gebucht. Und ebendieser Kasten leitete uns mit freundlicher Frauenstimme bis dort vor die Tür. Ein nettes Hotel!
Aber erstmal ein bisschen die Füße vertreten — und ich wollte natürlich unbedingt zum Wasser. Ja. Das war auch schön dort, aber das wissen auch verdammt viele andere Leute. Radfahrer zum Beispiel, vor allem diese coolen. Ein schönes Bild war eine sehr coole Strandbar, vor der etwa 2 Dutzend dieser komischen Sitzsäcke lagen, und auf jedem Sitz lag ein Sack. Ich glaube, gerade für Männer über 55 ist eine Alpenüberquerung per Fahrrad die ultimative Therapie zum Überstehen der Midlife-Crisis. Die Radlerhosen lenken vom Bauch ab und den verschwindenden Haaransatz kann man prima mit diesen Tüchern, die man gegen Sonnenstich um den Kopf knotet, kaschieren. Aber nicht nur Radler, auch die Surfer sind ganz ähnlich cool drauf. Insgesamt also eine echte Fremdheitserfahrung für mich — ethnologisch sehr wichtig, das mal mitzumachen. Ach ja, und der See ist wirklich schön.
Nach Rückkehr ins Hotel, duschen, stadtfein machen und essen haben wir dann noch einen Spaziergang zum See gemacht. Viel weniger Leute, weniger Wind, Sterne, Wasser, Lichter — ein sehr gelungener Abend. Ich denke, hier fahren wir mal wieder hin…