Bei meinem Einsatz im Juni bei der Straßenreinigung hieß es ja: “Komm mal wieder, wenn Laub-Saison ist. Das ist noch eine ganz andere Nummer.” Das wollte ich nun doch genauer wissen und habe meinen achten Praxis-Tag wieder bei der Straßenreinigung von bonnorange abgeleistet.1
Der Wecker klingelte also um 4:45 Uhr, um 5:45 Uhr war umziehen und melden beim Disponenten angesagt. Einteilung in Team 7, Beuel, erst Handkehrung in der Reinigungsklasse S, dann Laubkehren und nach der Mittagspause auf den Laubsaugwagen. Na dann mal los.
Teil 1: Reinigungsklasse S7 in der Beueler Innenstadt: Handkehrung
Um 6:00 Uhr ist selbst in Bonn noch kein Stau auf den Straßen. Es ging also zügig durch die Stadt und über die Kennedybrücke auf die Schäl Sick. Friedrich-Breuer-Straße von der Hermann- bis zur Obere Wilhelmstraße auf der südlichen Seite rund um die Baumscheiben, Fahrradständer etc. Papier, Kippen, Scherben auffegen, überall dort, wo selbst die Kompaktkehrmaschine nicht hinkommt. Für jede Kippe einen Euro würde einen guten Stundenlohn ergeben… Zumal dieser Straßenabschnitt an jedem Tag gereinigt wird, denn sie ist in der Reinigungsklasse S7, was eine tägliche Reinigung inkl. an Samstagen und Sonntagen bedeutet.
Teil 2: Laubsaison, Part 1, Haufenbildung
Nachdem dieser Teil erledigt war, ging es ins Laub. Ringstraße von der Limpericher Straße zur Rheinaustraße, diese bis zum Wendehammer, die Marchstraße und die Elsa-Brändström-Straße. Zu viert, zwei Mann mit Laubbläsern (1 x Zweitakter, 1 x Elektro) und zwei Mann (also ein bonnoranger und ich) mit Besen, haben wir das Laub von den Gehwegen und in den Rinnsteinen alle paar Meter zu kleineren und größeren Haufen zusammen geschoben. Mit Laubbläsern? Muss das sein? Geht das nicht auch mit Besen? Vermutlich. Aber — und hier setzte bei mir unmittelbar ein Lernprozess ein — dann wäre dieses Pensum nicht in der genannten Zeit zu schaffen. Das würde aber bedeuten, dass wir bereit sein müssten, deutlich höhere Straßenreinigungsgebühren zu zahlen, denn der dann erforderliche Personaleinsatz im Tarif würde die Kosten deutlich steigern. Oder wir müssten bereit sein, im Herbst länger Laub auf Gehwegen und in den Straßen zu akzeptieren. Verträgt sich das mit der Wegesicherungpflicht? Oder (weniger formal) wollen wir das Rollstuhlfahrer*innen, Menschen mit Rollatoren, Kinderwagen oder den Menschen, die einfach unsicher auf den Beinen sind, zumuten? Ich weiß es nicht. Was aber meines Erachtens sicher nicht unbedingt sein muss, ist, dass auch die Baumscheiben “blank geföhnt” werden. Damit wird Kleintieren, Vögeln etc. Unterschlupf oder Nahrung im Winter genommen. Aber sicher gehen auch hier die Meinungen auseinander.
Etwas unruhiger wurde es für einen Moment, als ein Mensch auf einmal auf uns zu kam, uns alle mit seinem Handy fotografierte, lamentierte, wir hätten sein Auto beschädigt (“lauter Kratzer”), er würde jetzt eine Anzeige bei der Polizei machen. Als ich ihn fragte, wieso er uns dann fotografierte und ihn aufforderte, das zu unterlassen, kam erst nur “Das ist mein Recht!” (was ich bestritt). Das Angebot, doch zu seinem Wagen zu gehen, sich den Schaden gemeinsam anzusehen und dann weiteres in Ruhe zu besprechen, wurde mit seiner “Flucht” ausgeschlagen. Auf meine Verwunderung hin sagten die Kollegen, das sei normal, sie würden jetzt selbst eine Meldung bei der Polizei machen (Kennzeichen war notiert), denn es sei durchaus möglich, dass in ein paar Stunden aus den vermeintlichen Kratzern eine echte Beule wird, die dann den Mitarbeitenden von bonnorange angehängt wird. Sachen gibt’s…
Teil 3: Laubsaison, Part 2, … und fort damit
Nach der Mittagspause gegen 11:00 Uhr bin ich dann auf den Laubsaugerwagen gewechselt. Der ist mit zwei Menschen besetzt, einem/r Fahrer*in und einer Person, die den Saugrüssel bedient. Ein Staubsauger in XXXXXXXXXL sozusagen. Mit einem enormen Zug wird alles, was vor die Tülle kommt, in den ca. 12m3 großen Container gesaugt. Mohamed zeigt mir, wie es geht. Mit einer gewissen Lässigkeit führt er den Sauger und befördert so einen Laubhaufen nach dem anderen in den LKW. “Und jetzt Du.” Okay. Das Ding ist auch gar nicht so schwer. Oder vielleicht doch? Und saugt sich am Laubhaufen fest. Moment…!!! Alles doch — in mehrfacher Hinsicht — deutlich schwerer, als gedacht. Ich bin froh, dass ich nicht zwei Stunden nonstop das Ding bewegen muss, sondern wir uns abwechseln. Ich hätte es wohl kaum durchgehalten.2
An diesem Tag musste der Container ganze fünfmal geleert werden, für den letzten Haufen hat es fast nicht gereicht bzw. wir hätten nach der fünften Leerung an der Abkippstelle an der Kläranlage Beuel noch einmal zurück ins Revier gemusst, um den letzten Rest aufzunehmen.
Am Betriebshof angekommen, muss der Wagen natürlich wieder sauber gemacht werden. Hier reicht aber der Hochdruckwasserschlauch, mit dem der Wagen von außen, der Container und der Sauger (im laufenden Betrieb) auch von innen abgespritzt wird. Dann noch auf den Stellplatz und ich konnte mich wieder “in zivil” begeben.
Schlussbemerkung
Erst einmal ein herzliches Dankeschön an Alexei, Frank, Marcus, Mohamed und Volker, dem Team 7 für einen spannenden Tag. Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr im Weg gestanden oder Euch ausgebremst. Danke auch für Eure Offenheit mir gegenüber. Das hilft mir bei meiner Arbeit im Verwaltungsrat sehr. Es war sehr eindrucksvoll!
Was jetzt noch fehlt: Handkehrung und Mülleimerleerung in der Fußgängerzone sowie Winterdienst. Es gibt also noch einiges für mich zu tun.
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Angefangen habe ich mit meinen “Praxis-Tagen” 2015, weil ich nicht nur Vorlagen lesen, sondern auch aus eigener Anschauung wissen will, worüber ich im Ausschuss, Verwaltungsrat und Aufsichtsrat entscheide. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir Politiker*innen als zunehmend von der Lebensrealität entfremdet wahrgenommen werden. Da gerade den Mitarbeitenden in den kommunalen Betrieben hoffentlich zeigen zu können, dass ich mich kümmere, ist mir sehr wichtig. Im Rahmen meiner Praxis-Tage oder — wie ich es nenne — Innenansichten habe ich bereits bei bonnorange (Berichte zu Restmüll, Sperrmüll, Papier und Biomüll), der Müllverwertungsanlage Bonn (Bericht hier) und der Feuerwehr Bonn (Bericht hier) hospitiert.
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Am Ende muss ich sagen, dass dieser Laubsauger alles andere als ergonomisch ist. Jedenfalls für Menschen größer 1,75m. [Update] Ich habe mittlerweile erfahren, dass bei bonnorange auch ein System im Einsatz ist, dass in der Bedienung vermutlich deutlich “gesünder” ist. (In der ersten Version habe ich noch auf ähnliche Systeme in anderen Städten hingewiesen, nicht wissend, dass bonnorange selbst ein solches hat.)
Meine Erachtens wäre zu überlegen, ob das Gerät, mit welchem ich gearbeitet habe, so modifiziert werden kann, dass der Rücken der Mitarbeitenden weniger stark belastet wird. Ich weiß, dass es — auf Anregung aus der Belegschaft — einen extra langen Saugrüssel hat, damit auch in Parktaschen oder ähnlichem gearbeitet werden kann. Das darf aber nicht zu Lasten der Gesundheit gehen. Jede — gut gemeinte — Eigen-/Weiterentwicklung kann ja nach einer gewissen Zeit eine Evaluierung unterzogen werden.