Seit 2015 habe ich mehrfach bei bonnorange und der Müllverwertungsanlage Bonn hospitiert: Restmüll-, Sperrmüll-, Papier- und Biomüll-Abfuhr, bei der Straßenreinigung sowie in der MVA. Also alles in der Abfallwirtschaft. Zum Fachgebiet des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz (“AUV”) im Rat der Stadt Bonn gehören auch die Feuerwehr und der Rettungsdienst, der in NRW durch die jeweiligen Feuerwehren bereitgestellt, ggf. aber durch Hilfsorganisationen und kommerzielle Anbieter erbracht wird. Deshalb war es an der Zeit, auch bei der Feuerwehr einen Praxistag zu leisten. Feuerwehr heißt hier Berufsfeuerwehr. Um 6:45 Uhr war Dienstantritt.
Erstes “Beschnuppern” in der Wagenhalle beim Wachwechsel bzw. beim Antritt der neuen Wache: Ist die Wache vollzählig, muss jemand auf einer anderen Wache einspringen, gibt es sonstige Dinge für den Tag zu beachten? Nachdem alle Feuerwehrmänner1 ihre Montur am Platz in der Wagenhalle an den vorgesehenen Plätzen untergebracht haben (Hose über die Stiefel gestülpt, Jacken voll ausgerüstet etc.), ging es an die “Dienstags-Rouinte”: ausführlicher Fahrzeug- und Ausrüstungscheck.
Doch auf einmal eine Durchsage “Alarm (…) Fachmarktzentrum Bornheimer Straße (…)”, der Gong und los ging es: Fahrzeuge wieder zusammenbauen, rein in die Klamotten und runter vom Hof! Binnen Sekunden erfolgte das Ausrücken.
Nachdem sich herausgestellt hat, dass es sich um einen (Fehl-)Alarm der Brandmeldeanlage handelte, konnte der Ausrüstungs-Check weitergehen. Ob zu dem Zeitpunkt die Tetris Challenge, über die bereits die Süddeutsche Zeitung berichtet, hier noch nicht bekannt war, oder man sich nicht daran beteiligen wollte, kann ich nicht sagen. Jedenfalls wurde im und am Wagen geprüft. (Wenn alles rausgepackt würde, wäre ein Ausrücken aber auch nicht in Sekunden möglich. Also ist es auch besser so.) Im Keller unter der Wagenhalle konnte ich einen Blick in die Schlauchwerkstatt werfen, inkl. Schlauchwäsche.
Am späten Vormittag ging es dann zur Feuerwache 3 nach Bad Godesberg. Neben der Grundeinheit, bestehend aus einem TLF, DLK und HLF2 sind hier, wie auf der Feuerwache 1, Rettungswagen, aber auch — und das ist ein Unterschied zur Hauptwache — eine Einheit der Freiwilligen Feuerwehr untergebracht.
Jede der vier Wachen der Bonner Berufsfeuerwehr hat einen (weiteren) Aufgabenschwerpunkt. Die Feuerwache 3 ist besonders für die Gefahrenabwehr im Bereich Umwelt (Stichwort ABC-Schutz) ausgerüstet und ausgebildet. Dazu gehört ein Abrollbehälter, der mit allerlei Geräten ausgerüstet ist, und ein Messfahrzeug mit Sensorik für Gase und Strahlung. Hier waren mein “Betreuer”, von Haus aus Biologe und ich, (Geo-)Physiker mit Nebenfach Kernphysik, in ihrem Elementen. Oder so.
Und dann war es auch schon Mittag. Kantine? Gibt’s keine. Außer Haus? Geht natürlich nicht. Stichwort Alarmierung. Mitgebrachte Stulle? Auch nicht. Statt dessen: Selbst gekocht! In jeder Dienst habenden Gruppe ist (mindestens) ein Feuerwehrmann ein Smutje, sorgt also für das Essen der ganzen Wache: Vom Einkauf bis zum Herd! Alles umlagefinanziert. Heute stand auf dem Essensplan: Fleischstrudel mit Bohnensalat. Lecker und macht satt! Gegessen wurde dann in recht großer Runde, höchstens unterteilt nach Raucher und Nichtraucher. Hier bekam ich schon einen ersten Eindruck, dass das Leben in 24-Stunden-Schichten eben mehr als nur ein Job ist: Wenn man(n) tageweise mit den selben Menschen den gesamten Tagesablauf und nicht nur die Arbeit als solche teilt. Noch deutlicher wird das in den Wachräumen: 4er Schlafräume mit dem Charme einer Jugendherberge, das Bettzeug im Spind zum Ausrollen bei Bedarf. Im Grunde ein zweiter Hausstand, aber eben nicht zu Hause. Oder ein zweites zu Hause…
Insgesamt war ich zweimal auf der Leitstelle. Notrufe laufen hier fast im Minutentakt ein. Viel Rettungsdienst, Fehlalarme von Brandmeldeanlagen (s.o.) oder auch die beiden, die es in die Zeitung geschafft haben: Einsatz im UKB und Zimmerbrand in Beuel.3 Und jedesmal läuft bei jedem der drei Disponenten der selbe Fragenkatalog ab: “Die Feuerwehr und Rettunsdienst Bonn. Wo ist der Einsatzort?” Und dann alles weitere. Denn diese Informationen werden in Echtzeit ins System eingetragen, das damit sofort die richtige Einheit (vor-)alarmiert werden kann. Dass auf den Wachen immer mehr Disponenten gebraucht werden, hat einen erschreckenden Grund: Menschen rufen aus immer kleiner werdenden Gründen direkt den Notruf an und “belegen” damit z.B. wegen einer zugefallenen Wohnungstür die 112. Und auch das muss ja erstmal geklärt werden.
Zum Abschluss ging es doch noch auf eine “Fahrt” mit der Drehleiter. Also im Korb der Drehleiter. 30 Meter rauf. Und das mir. Ich mag das ja eigentlich überhaupt nicht. Und wenn ich an das Kräfteparallelogramm denke, frage ich mich immer noch, warum das Ding nicht umkippt. Tut es aber nicht. Und nach kurzer Gewöhnung konnte ich den Blick über Bonn zum Siebengebirge genießen, sogar (fast) senkrecht zum Boden runtergucken. Huch…
Nachdem ich wieder feste Boden unter den Füßen hatte, ging es noch zu einem kurzen Gespräch mit dem Leiter der Bonner Feuerwehr zu den Eindrücken vom Tag. Und vor allem: Mein Dank dafür, dass ich den Tag heute dabei sein durfte, ich so dicht dran sein konnte. Also wieder ein Praxistag, an dem ich einen tollen Einblick in die Arbeit einer Einrichtung erhalten habe, auf deren Funktionieren wir uns jederzeit verlassen (können). Ein großer Dank damit auch an alle, die hier Dienst tun! Ich werde sicher noch einen zweiten Tag bei der “BF” machen, dann werden die Wasserrettung, das Löschboot und Gespräche mit dem Betriebsrat im Fokus stehen.
- Ja, hier und heute nur Feuerwehrmänner. Bei der Bonner Berufswehr gibt es im aktiven Dienst bisher eine Kollegin im Einsatzdienst der Wachabteilung (Brandmeisterin), zwei in Ausbildung zur Notfallsanitäterin sowie einige in der Verwaltung.
- TLF: Tanklöschfahrzeug, DLK: Drehleiter (mit) Korb, HLF: Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug
- Es war kein Einsatz dabei, wo ich mit hätte rausfahren können oder gar wollen.