Urlaubsnotizen 2019/006: Siena

TitelbildSie­na. Die Stadt des Pali­os und in ewi­ger Kon­kur­renz zu Flo­renz. Mit dem gut erhal­te­nen, goti­schen Stadt­bild und dem Dom, der gera­de­zu ein Para­de­bei­spiel für die mensch­li­che Ver­mes­sen­heit ist. Die Stadt der Hl. Katha­ri­na und des Pan­for­te. Wie auch in San Gimigna­no stau­nen wir über die Men­schen­mas­sen, die sich durch die Stadt schieben.

Doch der Mor­gen fängt erst ein­mal sehr beschau­lich an. Ein aus­führ­li­ches Früh­stück im Hotel und dann auf dem Weg nach San Fran­ces­co nur weni­ge Tou­ris­ten. Es ist wohl noch zu früh. Sienes*innen, die zur Uni, ins Büro, ins Geschäft gehen, einen Caf­fè in einer Bar zu sich neh­men, noch etwas Ruhe, bevor die Tou­ris­ten­strö­me die Stadt in Beschlag nehmen.

Die Contrade, der Palio: konstruierte Geschichte?

Beim “Gang durch die Gemein­de” fal­len natür­lich sofort die bun­ten Lam­pen an den Häu­sern auf, die in den Far­ben und mit den Logos der jewei­li­gen Con­tra­de gestal­tet sind.: Giraf­fe, Wöl­fin, Gans oder Rau­pe. 17 gibt es ins­ge­samt. Die Con­tra­de, der Bezirk, der Stadt­teil wird als Iden­ti­tät der Sienes*innen sti­li­siert, ist sie es doch, die beim Palio (Renom­mee) gewinnt oder ver­liert. Und das schon seit vor­geb­lich hun­der­ten von Jah­ren genau so. Jedoch:

Die Geschich­te des Palio reicht bis ins 13. Jahr­hun­dert, doch sei­ne heu­ti­ge, ver­meint­lich authen­ti­sche Aus­prä­gung ist ein Werk der Faschis­ten, die es 1927 umge­stal­te­ten, um damit das “ursprüng­li­che” Ita­li­en zu fei­ern.1

Es wun­dert also nicht, das Matteo Sal­vi­ni ein beson­de­res Herz für die­ses Ereig­nis hat, gera­de­zu von der Hei­lig­keit spricht, aber typi­scher Wei­se kei­ne Hem­mun­gen hat, in sei­nem Ins­ta- und Twit­ter-Wahn Regeln der (Selbst-)Darstellung rund um den Palio zu verletzen…

Nun gut, wir sind nun mal ziem­lich genau zwi­schen dem Juli- und dem August-Palio in der Stadt, also wun­dert es nicht, auf Plät­zen die Spu­ren von Ver­samm­lun­gen zu fin­den. Und dass es selbst Espres­so­tas­sen im Design der 17 Con­tra­den gibt, über­rascht dann auch nicht wirk­lich. Zuge­ge­ben, ich habe selbst eine davon gekauft.

Basilica di San Francesco

Die Basi­li­ca di San Fran­ces­co ist eine der bei­den gro­ßen Bet­tel­or­den-Kir­chen in Sie­na. Die Nähe zu Assi­si und dem Wir­ken des Hl. Fran­zis­kus sowie der ers­ten Mön­che in sei­ner Nach­fol­ge ist nicht nur in Umbri­en, son­dern auch hier in der Tos­ka­na deut­lich sicht­bar. Das Por­tal, durch das man heu­te die Kir­che betritt, ist aus dem Ende des 19. Jahr­hun­derts — das Ori­gi­nal fin­det sich im Kreuz­gang wie­der. Ein Fres­ko stellt den Tod des Hl. Gal­ga­no dar, inkl. einer Dar­stel­lung der Abba­zia San Gal­ga­no und des Ere­mo Mon­te­sie­pi, dem ers­ten Ziel unse­rer Tos­ka­na-Rück-Rund­rei­se mor­gen. In den Sei­ten­ka­pel­len sind Fres­ken unter ande­rem von Pie­tro Loren­zet­ti (Kreu­zi­gung) zu sehen. Fran­zö­si­sche Pfadfinder*innen-Gruppen sind (zu die­ser Uhr­zeit) der Groß­teil der Besucher*innen.

Santuario di Santa Caterina

Mehr oder weni­ger am ande­ren Ende der Stadt (also auf einem der bei­den ande­ren Berg­rü­cken, auf denen Sie­na gebaut ist) befin­det sich das San­tua­rio di San­ta Cate­ri­na. Die Hl. Katha­ri­na von Sie­na leb­te im 14. Jahr­hun­dert und wur­de bereits 1461 hei­lig­ge­spro­chen. Das Ensem­ble, das Haus eines Fär­bers, des Vaters der Hl. Katha­ri­na, besteht im Wesent­li­chen aus vier Räu­men, wovon einer eine Kir­che sowie zwei Ora­to­ri­en sind und der vier­te “das Schlaf­zim­mer der Hei­li­ge”, was auch sehr andachts­wür­dig ist. Eine beton­te “Fröm­mig­keit” ist immer noch mit Hän­den zu grei­fen, auch wenn wir das Gefühl haben, dass es seit unse­rem letz­ten Besuch etwas redu­ziert wur­de. Und das nicht nur, weil inzwi­schen kein Ein­tritt mehr zu bezah­len ist. Wir tref­fen hier die sel­ben Pfad­fin­den­den-Grup­pen von San Fran­ces­co wieder.

Fontebranda

Sie­na ver­füg­te — wie vie­le Städ­te der Regi­on — über ein aus­ge­klü­gel­tes Sys­tem an Brun­nen, Zis­ter­nen (die Teils über Kilo­me­ter lan­ge Lei­tun­gen von außer­halb der Stadt gespeist wur­den) und Was­ser­lei­tun­gen. Die Fon­te Gaia auf dem Cam­po ist sicher die bekann­tes­te, eine der größ­ten und ältes­ten ist die Font­e­b­ran­da unter­halb von San Dome­ni­co, um Vier­tel der Fär­ber (s.o.).

San Domenico und Pause

Bevor wir uns die Mit­tags­pau­se gön­nen, steht noch der Besuch der Basi­li­ca di San Dome­ni­co auf dem Pro­gramm. Die zwei­te gro­ße Bet­tel­or­den­kir­che von Sie­na ist ca. 100 Jah­re älter als San Fran­ces­co. Das war es aber mei­nes Erach­tens schon mit den berich­tens­wer­ten Din­gen zu die­ser Kir­che. Unse­re Mit­tags­pau­se neh­men wir in einem Restau­rant ein, das vor 24 Jah­ren eine Jazz-Kel­ler-Knei­pe war. Das Restau­rant ist gut, der Blick auf den Dom über­wäl­ti­gend (sie­he unten).

Dom samt Baptisterium und “Krypta”

Dom

Die Cat­te­dra­le Metro­po­li­ta­na di San­ta Maria Ass­un­ta (so der voll­stän­di­ge Name im Ori­gi­nal) ist, wie ein­gangs erwähnt, ein Bei­spiel der mensch­li­chen Groß­manns­sucht und Ver­mes­sen­heit. Der damals schon in sei­nen heu­ti­gen Aus­ma­ßen vor­han­de­ne Dom soll­te deut­lich erwei­tert wer­den. Und zwar schlicht dadurch, dass das exis­ten­te Haupt­schiff zum Quer­schiff der neu­en Kir­che wird. Long sto­ry short: Die Pest von 1348, eine Wirt­schafts­kri­se, sta­ti­sche und Bau­grund­pro­ble­me führ­ten zur Ein­stel­lung aller Arbei­ten um 1357. Ste­hen geblie­ben sind zwei Außen­wän­de — und eben der schon bestehen­de Dom. Und der ist eigent­lich auch schon ein­drucks­voll genug.

Krypta”

Unter dem Dom befin­det sich die so genann­ten Kryp­ta, die aber gar kei­ne Kryp­ta ist. Die­ser, viel­leicht bes­ser Unter­kir­che genann­te Bereich, war lan­ge durch Schutt ver­füllt und wur­de erst 2003 wie­der zugäng­lich. Die Wand­ma­le­rei­en (kei­ne Fres­ken) haben eine wun­der­ba­re Far­big­keit. Erstaun­lich weni­ge Men­schen lösen das Ticket auch für die­sen Teil der L’acropoli di Sie­na.

Baptisterium

Zum Schluss geht es noch ins Bap­tis­te­ri­um, das wie­der­um stark besucht ist. Über und über mit Wand­ma­le­rei­en aus­ge­schmückt, ist es auch eine Unter­kir­che in den Sub­struk­tio­nen des Doms.

Abend

In Ker­ky­ra (Kor­fu) nennt man ihn Vol­ta, den abend­li­chen Spa­zier­gang, das Sehen und Gese­hen wer­den. Wenn die Stadt etwas abge­kühlt ist, die Geschäf­te noch und  Restau­rants oder Bars schon offen sind. Auch wir rei­hen uns vor dem Abend­essen in die­se Pro­zes­si­on ein — und erlie­gen etwas dem Shop­ping-Fie­ber. Die Dame hat eine neue Tasche. Zu Abend essen wir in dem Restau­rant, in dem wir bereits unse­re Mit­tags­pau­se ver­bracht haben — inkl. Blick auf den Dom. Zurück geht es dann über den gut bevöl­ker­ten Cam­po zum Hotel.

Schön, abends hier ins Bett fal­len und mor­gen wie­der in aller Ruhe auf den “Heim­weg” machen zu kön­nen. Denn auch dafür gilt: “Der Weg ist das Ziel.”

  1. https://www.sueddeutsche.de/kultur/kulturhistorie-orig-ital-mittelalter‑1.4506368, 07.08.2019

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