Umbrien 2017: Tag 19 — Falzano di Cortona oder Dreieinhalb Geschichten über Europa

Einleitung

Im Früh­jahr die­sen Jah­res war viel von rech­ten Umtrie­ben in der Bun­des­wehr zu lesen und zu hören1. Neben dem damals aktu­el­len Anlass (dem Fund von “Devo­tio­na­li­en” aus dem sog. Drit­ten Reich), wur­de auch mal wie­der von den Vete­ra­nen­tref­fen in Mit­ten­wald berich­tet.2 Hier stol­per­te ich über “Fal­za­no di Cor­to­na”. In die­sem Dorf wur­de am 26. Juni 1944 von der deut­schen Wehr­macht eines der vie­len Mas­sa­ker ver­übt: Als “Ver­gel­tung” für einen Par­ti­sa­nen­an­griff wur­den Bewoh­ner des Dorfs in ein Haus gepfercht und die­ses dann gesprengt.3. Eine Suche in Goog­le Maps ergab, dass Fal­za­no nur weni­ge Kilo­me­ter von San Leo Bas­tia ent­fernt ist, ein Besuch war nun fest eingeplant.

Der Ort (oder das, was davon übrig ist) hat Erin­ne­run­gen wach geru­fen, mich nach­denk­lich gemacht.

1.) 1980: Mont d’Huisnes

1980 bin ich mit mei­nen Eltern in der Nor­man­die unter­wegs gewe­sen. Auf dem Pro­gramm stand auch ein Besuch der deut­schen Kriegs­grä­ber­stät­te Mont d’Huisnes. Dort ist mein Groß­va­ter Wil­helm Eick­schen bestat­tet. Er starb am 07.08.1944. Er war bereits in ame­ri­ka­ni­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft in Auray, als er von einem Fran­zo­sen erschos­sen wurde.

2.) 1986: Carnac

1986 bin ich mit mei­ner dama­li­gen Freun­din per Inter­rail in Frank­reich gewe­sen. Eine Sta­ti­on war Car­nac in der Süd-Bre­ta­gne, ca. 15km von Auray ent­fernt. Andrea und ich konn­ten (damals) recht gut fran­zö­sisch. Es war also kein Pro­blem am Ran­de einer Pfer­de­kop­pel mit einem älte­ren Herrn in Gespräch zu kom­men, der uns ange­spro­chen hat­te. Nach eini­gen Minu­ten net­ter Unter­hal­tung frag­te er, wo wir denn her­kä­men. Wir: “Alle­ma­gne.” Er: “Ah. Alle­mands.” Sprach’s, dreh­te sich um und ging.

3.) 2017: Falzano di Cortona

Nun fah­ren wir also seit Jah­ren nach San Leo Bas­tia in Urlaub, das gera­de ein­mal 3,5km Luft­li­nie bzw. ca. 5 Stra­ßen­ki­lo­me­ter von Fal­za­no ent­fernt ist. Wir gehen dort in eine Bar, die seit 1924 in Fami­li­en­be­sitz exis­tiert. Der Seni­or ist in einem Alter, in dem er die Ereig­nis­se viel­leicht nicht unbe­dingt selbst erlebt oder direkt erfah­ren hat, aber sicher mit den Erzäh­lun­gen davon groß gewor­den ist. Wel­che Erin­ne­run­gen trägt er oder die gan­ze Fami­lie mit sich? Wir wer­den jedes Jahr freundlich(er) begrüßt, einer aus der jüngs­ten Gene­ra­ti­on stu­diert in Berlin.

 

3½.) 2017: Europa

Wenn ich das alles zusam­men­neh­me, wer­de ich noch wüten­der, wenn ich an den wie­der auf­le­ben­den Natio­na­lis­mus in Euro­pa den­ke. Wie kön­nen wir es zulas­sen, was da mit dem Euro­pa gemacht wird, das unse­re Groß­el­tern auf den Trüm­mern des Krie­ges auf­ge­baut und unse­re Eltern aus­ge­baut haben? Wir müs­sen es gegen die­se Umtrie­be ver­tei­di­gen! Aber nicht im Still­stand hegen und pfle­gen, son­dern jeden Tag leben und wei­ter entwickeln.

  1. Update 17.08.2017: In die­sen Tagen scheint der nächs­te “Fall” publik zu werden.
  2. taz vom 25.05.2017: <http://www.taz.de/!5409570/>

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