Umbrien 2017: Tag 12 — Die südliche Valle Umbra, Tag 1

Vor ein paar Jah­ren hat­ten wir uns vor­ge­nom­men, für Tou­ren, wo es — vor­her­seh­bar — viel zu sehen gibt, von Anfang an zwei Tage ein­zu­pla­nen, also eine Über­nach­tung „außer­halb“. Vor zwei Jah­ren ging es in die Val­ne­ri­na, die­ses Jahr nicht ganz so weit in die süd­li­che Val­le Umbra zwi­schen Foli­g­no, Cas­tel Rital­di und Trevi.

Der Tag fing am Haus nach zwei küh­le­ren Tagen, an denen es auch gereg­net hat­te, mit einem impo­san­ten Blick auf ein mit Nebel gefüll­tes Tal an.

Abbazia Sassovivo

Nach einem Früh­stück im „Anti­co Caf­fè Giar­di­no“ in Umbert­ide ging es zur ers­ten Sta­ti­on, der Abba­zia Sas­so­vi­vo bei Foli­g­no. In einem Sei­ten­tal inmit­ten eines Eichen­wal­des (wo gibt’s den hier eigent­lich nicht?) liegt die­ses Klos­ter. Gegrün­det um das Jahr 1000 war es zwi­schen­zeit­lich eines der mäch­tigs­ten Klös­ter weit und breit. Sehens­wert sind — nicht nur laut Rei­se­füh­rer — vor allem der Kreuz­gang mit sei­nen 128 teils ver­schlun­ge­nen Säu­len mit sehr schö­nen Kapi­tel­len. Auch “moder­ne­re” Fröm­mig­keits­for­men fin­den sich hier: Im Klos­ter­gar­ten ist die Fati­ma-Erschei­nung in Mar­mor (oder Gips?) nach­ge­baut. Von hier hat man einen tol­len Blick auf Foligno.

Santa Maria in Campis

Die nächs­te Sta­ti­on war eine Wall­fahrts­kir­che, die — wie sich her­aus­stell­te — an einem gro­ßen Fried­hof liegt. Die Kir­che als sol­ches hat kei­ne beson­de­ren High­lights (außer viel­leicht die vie­len Votiv­f­res­ken und Fres­ken von Nicolò di Libera­to­re in der Fami­li­en­ka­pel­le der Trin­ci — ja, wir haben den DuMont Kunst­rei­se­füh­rer im Gepäck…). Inter­es­san­ter, wenn nicht gar ver­stö­rend ist der neue Teil des Fried­hofs. Vor der Kir­che hat eine Rei­he von Flo­ris­ten ihren Stand. Nahe am Ein­gang zum alten Teil des Friedhofs.

Foligno

Wir hat­ten gehofft, dass die unaus­weich­li­che, lan­ge ita­lie­ni­sche Mit­tags­pau­se beim Dom nicht schon um 12:00 Uhr beginnt. Lei­der ist es doch so. Jeden­falls stan­den wir vor ver­schlos­se­nen Türen. Wir muss­ten uns also mit dem Äuße­ren zufrie­den geben. Das ist viel­leicht nicht spek­ta­ku­lär, aber wenigs­tens inter­es­sant. Allein schon, dass der Bau eigent­lich voll­stän­dig zuge­baut ist. Ledig­lich zwei Fas­sa­den sind über­haupt erkenn­bar. Das Haupt­por­tal (nach Süd­ost) führt auf einen rela­tiv klei­nen Platz her­aus, die typisch-umbri­sche Sei­ten-Fas­sa­de (nach Süd­west) auf den Haupt­platz des Stadt. Deren Por­tal besitzt einen rei­chen Figu­ren­schmuck, unter ande­rem Kai­ser Fried­rich Barbarossa.

Ein paar Stra­ßen wei­ter ist das Ora­to­rio Nun­tia­tel­la, in dem ein Peru­gi­no-Fres­ko zu sehen ist — oder zu sehen wäre, wenn das Gebäu­de nicht wegen Erd­be­ben­schä­den geschlos­sen wäre. Wir machen hier in Foli­g­no Mit­tags­pau­se in einer klei­nen Trat­to­ria mit lau­schi­gem Innen­hof. Danach noch ein­mal durch die gan­ze Stadt, bis zur Kir­che San­ta Maria Inf­ra­por­tas, die ältes­te Kir­che hier. Schö­ne Fas­sa­den­struk­tur, aber auch geschlossen.

Ins­ge­samt ist Foli­g­no ein schö­nes Städt­chen, vie­le Rad­fah­rer und noch eine Men­ge zu ent­de­cken. Wir wer­den wohl noch­mal wie­der­kom­men, fah­ren aber jetzt wei­ter nach Montefalco.

Montefalco

Jetzt also wie­der ein Städt­chen auf einem Berg. Ich woll­te unbe­dingt noch­mal in die Kir­che San Fran­ces­co, die zu einem Muse­um umge­baut ist: die alte Kir­che vol­ler Fres­ken hat einen moder­nen Anbau, in dem alles Mög­li­che von Kunst bis Archäo­lo­gie und eine his­to­ri­sche Wein­pres­se aus­ge­stellt wird. Mein Lieb­lings­bild ist die Sze­ne, in der ein Teu­fel von Maria mit einem Stock ver­prü­gelt wird: bash him…

Im Ort ist eine Art kol­lek­ti­ver Deko-Wahn aus­ge­bro­chen: über­all ste­hen pink gestri­che­ne Fahr­rä­der1, oft noch mit Blu­men­käs­ten geschmückt. Und auch hier Blu­men­re­ga­le aus Palet­ten, wie sie uns schon in vie­len ande­ren Orten hier auf­ge­fal­len sind. Nach St. Fran­ces­co besu­chen wir auch noch die ande­re Ordens­kir­che, St. Agus­ti­no. Eigent­lich ganz ähn­lich wie in Fran­ces­co, aller­dings sind die Fres­ken nicht ganz so schön und viel, und einen Peru­gi­no gibts auch nicht. Von hier oben schaut man bis nach Assisi.

Unter­halb des Städt­chens ist noch ein Klos­ter (San For­t­u­na­to), das wir anschau­en. Ich woll­te eigent­lich gleich wie­der weg, stan­den doch zwei Cara­be­nie­ri hier vor der Tür. Ste­phan hat mich aber fest­ge­hal­ten… Hat sich auch gelohnt: von Außen waren eini­ge Fres­ken zu sehen, aber auch Erd­be­ben­schä­den: die Kir­che war kom­plett zu und der hal­be Innen­hof zur Sicher­heit abgesperrt.

Unterkunft

Per Inter­net haben wir am spä­ten Nach­mit­tag eine Unter­kunft in der Umge­bung gesucht. Und gefun­den haben wir etwas wirk­lich beson­de­res: Total in der Pam­pa, durch meh­re­re klei­ne Dör­fer in der Ebe­ne durch, kamen wir zum Cas­tel San Gio­van­ni, einem win­zi­gen Dorf in einer mit­tel­al­ter­li­chen Mau­er. Das Hotel hat sei­ne Zim­mer in die Stadt­mau­er ein­ge­baut. Eine ganz eige­ne Atmo­sphä­re. Am Abend fah­ren wir auf Emp­feh­lung des Hotel­be­trei­bers nach Cas­tel Rital­di, da das eige­ne Restau­rant wegen Feri­en geschlos­sen ist. Das soll­te man viel­leicht noch mal über­den­ken, ob es so klug ist, als Hotel in der (begin­nen­den) Feri­en­sai­son das eige­ne Restau­rant zu schließen…

Castel Ritaldi

Hier haben wir ein ech­tes Erleb­nis: Schon beim Rein­fah­ren in den Ort wird mir ein biss­chen mul­mig: die Stra­ße wird ab 20:30 Uhr kom­plett gesperrt. Wer­den wir hier jemals wie­der raus­kom­men? Der Grund der Sper­rung erklärt sich auf dem Dorf­platz: Hier ist eine Büh­ne auf­ge­baut, Bän­ke und Stüh­le wer­den her­bei­ge­bracht: Heu­te Abend ist hier die Eröff­nungs­ver­an­stal­tung des Palio Fan­tas­ma, die Bands machen gera­de Sound­check. Ich sehe uns in einer Mas­sen­ver­an­stal­tung im Gedrän­ge ste­hen und wür­de ger­ne wie­der gehen — Ste­phan nicht. Wir blei­ben erst­mal, essen in einer Bar eine Klei­nig­keit, ich krie­ge Wein im Plas­tik­be­cher (das beru­higt die Ner­ven) und wir schau­en dem Auf­bau­ge­sche­hen zu. Der Platz füllt sich zwar, aber eine Mas­sen­ver­an­stal­tung ist das nicht wirk­lich, eher ein Dorf­fest. Kin­der ren­nen rum, die Senio­ren­li­ga sitzt auf den bes­ten Plät­zen. Anschei­nend ist hier wirk­lich das gan­ze Dorf ver­sam­melt. So lang­sam krie­gen wir auch mit, was für ein Pro­gramm uns erwar­tet: meh­re­re loka­le Bands spie­len auf der Büh­ne, jeweils drei Stü­cke, und eine Jury ver­gibt dann am Ende einen Preis. Der Mode­ra­tor ist so ein schmie­ri­ger Gigo­lo-Typ, der unbe­dingt mal zum Sprech­trai­ning muss. Die Musik ist gar nicht schlecht, gitar­ren­las­ti­ger Italo-Pop und Cover­stü­cke. Das High­light des Abends ist aber der Auf­tritt der Prin­cipes­sa: Eine alte Dame in Abend­klei­dung in Beglei­tung einer wei­te­ren Frau und eines jun­gen Man­nes, der aus­sieht wie ein Klon aus den Söh­nen der Mona­co-Prin­zes­sin­nen rauscht auf den Platz und der Mode­ra­tor hyper­ven­ti­liert. Wäh­rend die Prin­cipes­sa ihren Logen­platz ein­nimmt (im Post­amt ist ein Bal­kon mit ent­spre­chen­den Thro­nen her­ge­rich­tet) fällt auch ihr Name: Prin­cipes­sa Doris May­er Pignatel­li. Prin­cipes­sa Doris May­er… Ähm. Ja.

Ins­ge­samt ein ein­drucks­vol­ler Abend. Wir kom­men auch mit dem Auto wie­der raus, die Stra­ßen­sper­rung gilt nur für die ein­fah­ren­den Wagen.

 

  1. Im Mai die­sen Jah­res hat­te der Giro d’I­ta­lia eine Etap­pen­ziel in Mon­te­fal­co und die “Maglia Rosa” (das Rosa Tri­kot) ist das Tri­kot des füh­ren­den der Gesamtwertung.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.