Jetzt sitzen wir hier, auf der Terasse der Cantina Gattavecchi in Montepulciano. Die Sonne ist schon untergegangen, langsam wird es dunkel und auf der anderen Seite des Tals gehen immer mehr Lichter an. Wir hatten ein wunderbares Abendessen und bestellen gleich für mich noch ein Glas Wein. Heute Abend haben wir sogar Livemusik vor der Nase. Während wir gegessen haben, baute die eine Hälfte einer 2‑Mann-Band die Percussion direkt vor uns auf, der zweite spielt Gitarre und wir hören einen Mix aus Rock und Jazz, sehr schön.
Hinter uns liegt der erste Ausflug-Tag. Heute morgen sind wir schon vor 9 Uhr gestartet, erster Stopp oberhalb des Lago Trasimeno in der Eichhörnchenbar zum kleinen Frühstück. Dann ging es weiter nach Città della Pieve.1 Renaissance-Kunst gucken. „Das Weinen der Engel“ im Oratorio San Bartolomeo war noch ziemlich Mittelalterstyle, aber trotzdem schön. Dann zum Perugino-Fresko “Die Anbetung der Könige”. Das Fresko ist im Oratorio die Bianchi, zunächst sind wir vorbeigegangen, weil im Eingang ein so unfreundlich wirkender dicker Mann stand. Da wir durch die Kirche nebenan keinen Eingang fanden, mussten wir doch an dem Mann vorbei. Er sprach uns direkt an: “Perugino? Due euro per persone.” Die vier Euro haben sich auf jeden Fall gelohnt. Nicht nur weil das Fresko wirklich wunderschön ist und ein ideales Beispiel für die Kunst Peruginos (liebliche Gesichter, bewegte Körper, Himmel von Blau zu Weiß verlaufen, toskanische Landschaft für Perspektivische Tiefe), sondern auch, weil der mopsige Mann zunehmend auftaute: Neben dem Fresko an der Stirnseite des Raumes hingen an den Seiten die Kutten einer Bruderschaft, sowie zwei riesige Kreuze zum Tragen. Eines davon hatten wir in der Kirche nebenan auch schon gesehen. Bis heute werden fünf Mal im Jahr von fünf Männern der Bruderschaft fünf Kreuze durch die Stadt getragen. Die letzte Chance, das in diesem Jahr zu sehen, ist der 15. August, Mariä Himmelfahrt. Leider sind wir da schon wieder zuhause.
Der Mann gab uns dann noch den Tipp, ohne Eintritt könnten wir noch zwei Peruginos sehen, die im Dom um die Ecke hängen. Alles auf italienisch, wir hören uns langsam wieder ganz gut ein. Natürlich waren wir noch kurz im Duomo („Foto vietato“), dann noch in der Kirche Santa Maria della Stelle, die heute ein Museum ist, ebenfalls mit einem Perugino-Fresko der Kreuzabnahme. Hier bekamen wir eine sehr interessante Führung (auf englisch).
Wieder zurück zum Auto und weiter in die Toskana. Die nächste Station war Radicofani. Dort waren wir in einer Turi-Falle: oben auf der Burg, Eintritt sofort bei Einfahrt auf den Parkplatz. Die Aussicht ist aber wirklich fantastisch. Die Burg selbst ist eher Mittelalterfolklore, privat geführt. Warum lagen da im Raum mit der Kunst überall Kartoffeln rum? Wir haben auch nicht das Steakhaus besucht, sondern sind für eine kleine Pause weitergefahren an den Monte Amiata. Auch da erstmal was tun für den Kaffee: romanische Abteikirche mit wunderbarer Krypta (Abbazia di San Salvatore in Abbadia di San Salvatore — das soll man auseinanderhalten…). Am Monte Amiata entlang ging es weiter: durch einen kühlen Wald, auf über 1.300 m Höhe — im Winter ist hier ein beliebtes Skigebiet, so sieht auch die Architektur aus, die sich doch stark an alpine Klassik annähert. Am Giardino Daniel Spoerri sind wir nur vorbeigefahren — hier kommen wir aber auf jeden Fall nochmal her, mit mehr Zeit!
Weiter durchs Val d’Orcia, die typisch toskanisch Landschaft schlechthin, es ist sogar UNESCO Welterbe. Die Weizenfelder sind abgeerntet, gelb-braune Hügel, verbrannte Erde, immer wieder kommt der Felsen durch die Humuskrume durch. Im Tal sind nur wenige Höfe, die eigentlichen Siedlungen und Städte sind auf den umliegenden Hügeln, wie Pienza, das sieht man von weitem. Hier finden sich auch die toskanischen Anwesen mit Zypressenallee — Reiseführerromantik. Unterhalb von Pienza machen wir einen kurzen Stopp bei der kleinen romanischen Pieve San Vito di Corsignano, der Taufkirche von Enea Silvio Piccolomini‚, der als Pius II Pienza nach Maßstäben der „idealen Stadt“ der Renaissance (neu) anlegen ließ.
Dann geht es weiter nach Montepulciano, zu Gattavecchi. Wein gekauft und für den Abend einen Tisch in der Osteria der Cantina reserviert. Dann sind wir in die Stadt, diesmal fast bis ganz nach unten, um den Papierladen zu finden — wir wollen doch endlich ein klassisches, analoges Scrabbook anlegen. Den kompletten Hügel mussten wir dann wieder rauf. Einen Drink auf dem Domplatz hatten wir uns dann verdient, und das Abendessen hier auch…
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