ANT XIV/3: Einmal in den Süden und zurück.

Ureinwohner

Urein­woh­ner

In letz­ter Zeit bin ich wie­der häu­fi­ger gefragt wor­den, wo denn mein Inter­es­se an und Wis­sen rund um Kli­ma- und Polar­for­schung etc. her­rührt. Nun, für ein paar Jah­re war ich Polar­for­scher. Das steht sogar auf einer Fahr­kar­te der Jung­frau­bahn.1 Aber das ist eine ande­re Geschich­te. Wäh­rend die­ser Zeit hat­te ich die für mich auch nach 20 Jah­ren noch unglaub­li­che Gele­gen­heit, einen drei­mo­na­ti­gen For­schungs­auf­ent­halt in der Ant­ark­tis absol­vie­ren zu dür­fen. Hier also nun mein Kurz­be­richt zu die­ser Reise.

Am 31.12.1996 ging es bei eisi­gen Tem­pe­ra­tu­ren los. In Düs­sel­dorf in den Flie­ger nach Frank­furt, dort Hopp­la­hopp (wegen Ver­ei­sung war der Flug­plan recht durch­ein­an­der gera­ten) in die Lang­stre­cken­ma­schi­ne nach Kap­stadt, der Jah­res­wech­sel irgend­wo über dem nörd­li­chen Afri­ka in 12.000m Höhe mit der lapi­da­ren Ansa­ge aus dem Cock­pit: “Mei­ne sehr geehr­ten Damen und Her­ren, Luft­han­sa und die gesam­te Crew wünscht Ihnen ein gutes neu­es Jahr. Ladies and Gen­tle­men, on behalf…”. Kap­stadt: +30°C im Schat­ten und die Weih­nachts­de­ko hängt… Uff. Nach ein paar Tagen ging es dann end­lich mit der Polar Queen2 los. Zunächst durch ruhi­ge See, dann durch die “Roaring Four­ties”, und nach eini­gen Tagen kam auch schon der ers­te Eis­berg in Sicht. Alle “Polar­neu­lin­ge” stan­den stau­nend an der Reling — ich also auch. Mit jeder Mei­le änder­te sich nun das Erschei­nungs­bild der Mee­res­ober­flä­che: mal offen, mal Eis­schol­len im losen Ver­bund, mal gepackt und über­ein­an­der­ge­scho­ben, und auch Pfann­ku­chen­eis3 war zu sehen, Rob­ben auf dem Eis, irgend­wann dann auch die ers­ten Pin­gui­ne. Zu guter letzt war die Meer­eis­de­cke geschlos­sen, und das Schiff muss­te sich den Weg frei­bre­chen. Was aber auch noch mit 8 Kno­ten Fahrt vor­aus von stat­ten ging.

Nach zehn Tagen kam gegen Mit­ter­nacht unter der Mit­ter­nachts­son­ne im Süden Ant­ark­ti­ka in Sicht­wei­te. Um fünf Uhr früh waren wir an der Meereis­kan­te ange­langt und konn­ten das Schiff samt unse­rem Equip­ment ver­las­sen. Nach ca. zwei Stun­den dreh­te Polar Queen wie­der ab. Da stand ich nun auf dem Eis. In dem Moment wur­de mir irgend­wie mul­mig klar: Hier gibt’s kein “Hal­lo Taxi, ein­mal nach Hau­se bit­te!” Nun also acht Wochen auf dem Eis. So kann es gehen, wenn ein Traum in Erfül­lung geht… Schnell über­wog aber wie­der die Begeis­te­rung für das, was gera­de geschah.

Sta­tio­niert” war ich auf Neu­may­er II, der deut­schen Ant­ark­tis-Sta­ti­on, die von 1992 bis 2009 in Dienst war.4 Die­se Sta­tio­nen am Rand des Kon­ti­nents sind Dreh- und Angel­punk­te für die inter­na­tio­na­le For­schung, die dort von vie­len Län­dern gemein­sam betrie­ben wird: Hub­schrau­ber­lan­de­plät­ze, Start- und Lan­de­pis­ten, Wohn­ein­hei­ten für bis zu 50 Men­schen, Kom­bü­se, Werk­stät­ten, und selbst eine voll bio­lo­gi­sche Klär­an­la­ge ver­voll­stän­di­gen ein hoch­kom­ple­xes Sys­tem auf engem Raum. Eine Beson­der­heit von Neu­mei­er I und II war, dass die­se Sta­tio­nen ins Eis gebaut wur­den. D.h. sie ver­sin­ken durch den Schnee­zu­trag noch immer Jahr um Jahr wei­ter im Eis. Irgend­wann ist der Eis­druck zu groß, so dass die Con­tai­ner regel­recht von der Eis­auf­last zer­drückt wer­den. Vor­her wur­den sie des­halb auf­ge­ge­ben und bis auf Eisen und Holz kom­plett aus­ge­räumt. Sie drif­ten mit den Eis­ber­gen Rich­tung Nor­den und ver­sin­ken ver­mut­lich im Atlantik.

Mei­ne “eigent­li­che” Arbeit fand wäh­rend zwei je zehn­tä­gi­gen Field Trips statt. Mit zwei Kol­le­gen bin ich mit Motor­schlit­ten (Ski­Doos) und Nan­sen­schlit­ten auf Mes­sung gefah­ren. 70km bzw. 130km von der Sta­ti­on ent­fernt — in die Mit­te von nichts. Dort haben wir unse­re zwei Zel­te auf­ge­schla­gen. Mei­ne Arbeit bestand dar­in, an vor­de­fi­nier­ten Stel­len Löcher in den Schnee zu gra­ben, die Term­pe­ra­tur zu mes­sen, die Dich­te und die Korn­grö­ßen des Schnees zu bestim­men und die Schich­tung zu doku­men­tie­ren. Hört sich viel­leicht erst­mal nicht so spek­ta­ku­lär an. Aber sechs bis acht Kubik­me­ter Schnee (also gut eine Ton­ne Was­ser) zu bewe­gen, kann eine Her­aus­for­de­rung sein. Erst recht, wenn zwi­schen­durch soli­de Eis­schich­ten ein­ge­schal­tet sind, die auch mal einem Spa­ten oder einer Spitz­ha­cke final zusetzen.

Des Erle­ben drum­her­um war umso ein­drück­li­cher: bei Wind­stil­le voll­stän­di­ge Stil­le — das Rau­schen des Bluts in den Ohren wur­de mit einem Mal ohren­be­täu­ben­dend. Eine Raub­mö­we, mit ca. 2m Spann­wei­te, die sich 130km von der Küs­te in unmit­tel­ba­rer Nähe nie­der­ließ. Zwei Tage Schnee­sturm, an denen mehr oder weni­ger nicht ans Ver­las­sen des Zelts zu den­ken war. Glei­ßen­de Son­ne und in allen Regen­bo­gen­far­ben schim­mern­der Schnee.

Nach knapp zwei Mona­ten auf dem Eis hieß es dann wie­der Abschied neh­men von die­sem fas­zi­nie­ren­den Kon­ti­nent. Die­se acht Wochen haben mich vie­les gelehrt. Vor allem, stets ein Auge für’s mach­ba­re zu bewah­ren, Gelas­sen­heit und Ent­schlos­sen­heit mög­lichst in Ein­klang zu brin­gen. Denn wenn man ein­mal auf hun­der­te Meter dickem, Jahr­tau­sen­de altem Eis gestan­den hat…

Und, wozu das Gan­ze? Das waren Arbei­ten für einen Teil mei­ner Dis­ser­ta­ti­on.5 Und wenn sich jetzt noch jemand fragt, was denn die­se Über­schrift “ANT XIV/3” bedeu­tet: Ich war auf dem drit­ten Fahrt­ab­schnitt der vier­zehn­ten Ant­ark­tis­fahrt der Polar­stern unter­wegs.6

 

  1. Wiki­pe­dia: https://de.wikipedia.org/wiki/Jungfraubahn
  2. Das Schiff fährt mitt­ler­wei­le unter dem Namen Ernest Shackleton.
    Wiki­pe­dia (en): https://en.wikipedia.org/wiki/RRS_Ernest_Shackleton
    Ree­de­rei GC Rie­ber Ship­ping (en): http://www.gcrieber-shipping.com/fleet/ice-support/ernest-shackleton
    Bri­tish Ant­ar­c­tic Sur­vey (BAS, en): https://www.bas.ac.uk/polar-operations/sites-and-facilities/facility/rrs-ernest-shackleton
  3. Wiki­pe­dia: https://de.wikipedia.org/wiki/Pfannkucheneis
  4. Wiki­pe­dia: https://de.wikipedia.org/wiki/Neumayer-Station_II
  5. Eick­schen, S.: Klas­si­fi­ka­ti­on von Eis­ober­flä­chen­ty­pen mit SSM-I-Daten und Inter­pre­ta­ti­on unter Ver­wen­dung von in-situ- und Satel­li­ten-Radaral­ti­me­trie-Daten im Bereich des ost­ant­ark­ti­schen Eis­schil­des, Müns­ter, 2010, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:6–17469580374
  6. Hein­ze, O., Eick­schen, S. und Schrö­ter, U.: ERS-2-Satel­li­ten­al­ti­me­trie Ground-Truth Süd­som­mer 1997, S. 94 — 97 in: Jokat, W. und Oer­ter, H.: Die Expe­di­ti­on ANTARKTIS-XIV mit FS “Polar­stern” 1997 : Bericht vom Fahrt­ab­schnitt ANT-XIV/3, Berich­te zur Polar­for­schung, Bre­mer­ha­ven, Alfred Wege­ner Insti­tu­te for Polar and Mari­ne Rese­arch, 267, 236 Sei­ten, 1998, 10013/epic.10270

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