Am letzten Donnerstag hatte ich ein echtes Krippen-Erlebnis. Ich war von den Initiatoren des Deutzer Forums zum diesjährigen lebendigen Adventskalender eingeladen worden, einen Kurzvortrag zum Thema „Weihnachtskrippen“ zu halten. Als Ort war die Krippe im Horion-Haus des LVR vorgeschlagen, die dort seit vielen Jahren aufgebaut wird und auch schon lange Teil des Kölner Krippenweges ist. Nun, in diesem Jahr nicht. Ich kam etwa eine halbe Stunde vor Beginn meines Adventskalender-Fensters in Deutz an, betrat das Foyer des Horion-Hauses und fand: keine Krippe. Der freundliche Herr am Empfang konnte mir nicht weiterhelfen. Krippe, hätte er noch nie hier gesehen. Auch seine Nachfrage beim Kollegen im Landeshaus gegenüber blieb erfolglos: auch dort keine Krippe. Was tun? Inzwischen waren die ersten am Krippenvortrag interessierten Deutzerinnen und Deutzer eingetroffen. Meine erste spontane Idee war: wir bauen einfach selbst eine lebendige Krippe auf. Eine der Teilnehmerinnen war direkt begeistert und zog ihre Haarspange aus dem Zopf: „Das ist der Stern von Bethlehem!“ Eine schöne Idee, denn die Haarspange ließ sich per Knopfdruck zum Leuchten bringen. Einige der Anwesenden erklärten sich auch spontan bereit, die Hirten zu spielen.
Inzwischen war der freundliche Herr am Empfang in den Feierabend gegangen und hatte seinen Platz an einen Kollegen abgegeben. Auf meine Frage, ob wir den Raum gegenüber für unsere kleine improvisierte Veranstaltung nutzen dürfen, antwortete er mit einem kategorischen „Nein“, das keine Charmeoffensive zur Meinungsänderung zuließ. Es kam noch schlimmer: „Haben Sie denn überhaupt eine Genehmigung, dass Sie hier sein dürfen? Was schriftliches?“ – „Ähm, nö, tut mir leid…“
Also wohl kein Platz für uns in der Herberge. Ein Ortswechsel schien die einzig mögliche Alternative. Aber wohin? Die nächste Kirche? Der Dom auf der anderen Seite der Brücke mit der schönen Köln-Krippe? Für den geplanten Krippenvortrag wäre es dort allerdings wohl zu voll, zudem sind die Domschweizer meist nicht sehr angetan von spontanen Vorträgen in ihrer Kathedrale. Der suchende Blick fiel auf erleuchtete Fenster nebenan: Die LVR-Bibliothek. Dort waren auch noch Menschen zu sehen. Also einfach mal hinein: „Entschuldigen Sie bitte, ich habe ein etwas ungewöhnliches Anliegen.“ Die freundliche Frau in der Bibliothek lächelt aufmunternd. „Dann schießen Sie mal los.“ Ich stelle mich vor als Kollegin vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte aus Bonn – und werde sofort unterbrochen: „Sie sind Frau Dr. Hänel! Wie schön, dass wir uns endlich mal persönlich kennenlernen.“ Wie sich nun schnell herausstellte, war mein Gegenüber Frau H., mit der ich schon mehrfach sehr netten E‑Mail-Kontakt hatte. Den lebendigen Adventskalender des Deutzer Forums kannte sie auch, und so fanden wir spontan „Asyl“ in der LVR-Bibliothek. Schnell waren ein paar Stühle zusammengerückt, sogar Kekse wurden angeboten. Und das Beste: die kleine Krippe, die auf einem Rollwagen von Mitarbeitern aufgestellt worden war, bot ideales Anschauungsmaterial für den kurzen Vortrag zur Geschichte und Bedeutung der Weihnachtskrippe. Danke an Frau H. und ihr Team für ein überraschendes und wunderbares Krippenerlebnis!
Ich hätte diese Geschichte vielleicht gar nicht aufgeschrieben, wenn mir nicht heute Morgen, beim Blick aus dem Fenster, eine weitere Krippenszene begegnet wäre:
Krippe kann eben überall und jederzeit sein, und es müssen auch nicht immer Hirten und Schafe und Könige zum Kind kommen.