Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Bonn hat sich vor einige Jahren das Format “Gastspiel” ausgedacht. Dabei besuchen wir Unternehmen und Institutionen in Bonn, die man sonst vielleicht nicht unbedingt von innen kennenlernt. Also im Grunde so etwas wie meine Innenansichten, aber eben mit einem Teil der Fraktion und vielleicht nicht ganz so viel anpacken. Dieses Jahr waren wir zum Beispiel bereits beim Förderverein Psychomotorik und beim Weck-Glaswerk. Heute also in einem Unternehmen der Stadt: Stadtwerke Bonn Bus und Bahn oder auch SWB-Verkehr.
Zunächst gab es in der Stadtwerkezentrale an der Theaterstraße eine Einführung in das Unternehmen: Zahlen, Daten, Fakten, Struktur, Organisation etc. pp. Das war aber alles andere als Trocken. Denn zu erfahren, dass der Ausbildungsleiter der unternehmenseigenen Fahrschule in seinen “früheren Leben” (wie er selbst sagte) IHK-Ausbildungsmeister für sozial benachteiligte Jugendliche war zeigt, mit welchem Ansatz unser Unternehmen — und die Stadtwerke gehören ja als städtischen Unternehmen quasi allen Bonnerinnen und Bonnern — arbeitet. Wir erfahren etwas über Altersstrukturen, Werkstattauslastung, Ausbildungsberufe der Werkstatt, Barrierefreiheit des Zugangs usw. usf. Schon jetzt fängt der Kopf an zu rauchen. Nach den ersten 1½ Stunden gibt es einen kleinen Imbiss und Kaffee, dann geht es mit einem der sechs neuen Elektrobusse zum Betriebshof Friesdorf. Unterwegs bekommt noch jede® von uns eine Sicherheitsweste.
- Elektrobus der SWB
- Fahrgastinformationen bei Dienstfahrt
- Sicherheit geht vor!
Auf dem Betriebshof angekommen werden wir in zwei kleine Gruppen à sieben Personen aufgeteilt: die eine Gruppe beginnt mit der Besichtigung der Werkstatt, die andere darf direkt losfahren. Also nicht ganz direkt. Es folgt noch einmal eine Aufteilung in zwei “Sub-Gruppen” à 3 bzw. 4 Menschen, die auf jeweils einem (Fahrschul-)Bus beginnt und nachdem alle ihre Platzrunden gedreht haben auf das andere Fahrzeug wechseln (soll). Bei uns “soll”, weil wir alle unsere Lenkzeit bereits auf dem ersten Bus vollständig ausschöpfen.
Die Einweisung ins Fahrzeug war ehrlich gesagt recht kurz: “Eigentlich wie ein Auto: Gas, Bremse, Kupplung, 6‑Gang-H-Schaltung. Stellen Sie sich den Sitz so ein, dass sie gut ans Lenkrad kommen. Die Tür schließen sie mit einem Druck auf den Knopf da recht, die Feststellbremse links von Ihnen erst hochziehen und dann nach vorne. Erster Gang reicht, Sie könnten aber auch direkt im zweiten losfahren. Drehmoment hat er genug.” Das war’s. Also los in den Zick-Zack-Parcour, der mit Pylonen (“Hütchen”) aufgestellt war. Beim ersten Anlauf blieben nicht alle stehen — es ist doch recht ungewohnt, 2m vor der gelenkten Achse zu sitzen und zwischen den Achsen ca. 8m Abstand zu haben: Lenkung erst einschlagen wenn mindestens die Vorderachse das Hütchen passiert hat (“notwendige Bedingung”), aber auch grundsätzlich genug Abstand halten, damit man das Hindernis nicht mit der Fahrzeugmitte mitnimmt (“hinreichende Bedingung”). Merke: Wenn’s eng ist, nimm Dir Platz — das kenne ich auch vom Segeln. Nur stehe ich da in der Regel am Heck vom Ganzen und sehe, was vor mir passiert. Hier schleppt man die 12m oder gar 18m mit, und in den Spiegeln, die reichlich vorhanden sind, sieht man trotzdem nur das, was unmittelbar an den Fahrzeugseiten passiert. Selbst vor dem Bus und erst recht hinter dem Bus ist das Sichtfeld sehr reduziert. Ich werde versuchen, in Zukunft mehr daran zu denken, wenn ich mich als Radfahrer an einem Bus vorbei mogele — der sieht mich nicht… Zum Schluss des Praxisteils gab es noch eine Demonstration zum Thema “Die heizen mit 50 Sachen um die Kurve!”: In einem Linienbus in der letzten Reihe sitzen, wenn der Fahrer mit steigender Geschwindigkeit engst mögliche Kreise fährt. Bei 10km/h noch alles kein Problem, bei 18km/h haut’s einen schon fast vom Sitz, bei 23km/h (wurde nicht vorgeführt) würde das ESP abregeln.
Danach ging es in die Werkstatt. Eigentlich eine ganz normale KFZ-Werkstatt. Nur größer. Viel größer. Ich meine viiiiiiel größer. Ich habe schon wieder vergessen, wie groß sie letztendlich wirklich ist, in meiner Erinnerung passen in die Hauptwerkstatt mindestens 12 Gelenkbusse gleichzeitig rein. Und dann gibt es ja noch die Reifenwerkstatt (gut, da fährt kein Fahrzeug rein), die Karosseriewerkstatt und auch eine “Expressannahme” inkl. Waschstraße. Hier können also eigentlich alle Arbeiten, die an einem Stadtbus anfallen, ausgeführt werden. Selbst ein Automatikgetriebe kann hier demontiert, gewartet und wieder montiert werden. Das Know-how und die Technik sind vorhanden. Ein paar Zahlen: die gesamte Kilometerleistung der SWB-Busse beläuft sich auf 12Mio Kilometer im Jahr. Jeder Bus fährt am Tag ca. 200km. Die SWB haben ca. 180 Busse permanent auf der Straße.1 Am Tag werden 20qm Diesel getankt — und damit verfahren. Ein Getriebe hält ca. 400.000km, ein Bus “als ganzes” ca. 800.000km (mit dem o.g. Tagesmittel wären das ca. 11 Jahre). Ein Reifen hält ca. 37.000km (also ein halbes Jahr), kann aber u.U. noch mal runderneuert oder nachgeschnitten werden — wenn nicht die “Bordsteinkontakte” o.ä. die Flanken ruiniert sind. Um die Busse unter diesen Bedingungen einsatzfähig zu halten, arbeiten hier viele hochqualifizierte, größtenteils selbst ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an verantwortungsvoller Stelle. Das bekommen wir, die wir tagtäglich einfach nur mal eben “den Bus nehmen”, überhaupt nicht mit.
- Auf der Grube
- Beatmung
- Kosmetik
- Maschinenraum
- Unter Tage
- Hinterachse mit Zusatz
- Schuhregal
- 20mm Stollen
- Hat mal jemand einen Euro?
Auf dem Außengelände begegnete uns dann wieder das Thema SWB-Elektromobilität: Die Ladestation für die aktuell sechs Elektrobusse, die die SWB im Einsatz haben. Ja, um die ca. 200 Busse im Bonner Busnetz komplett von Diesel auf Elektro umzustellen, ist noch einiges an Infrastruktur nötig. Aber die Umstellung geschieht ja nicht von jetzt auf gleich. Gut zu wissen ist aber, dass über die SWB Energie und Wasser genug Naturstrom angeliefert werden könnte, um den Bedarf zu decken. Hier ist eher die Frage nach der Infrastruktur auf dem Betriebshof: langfristig müsste an jedem Abstellplatz eine Ladesäule stehen, damit die Busse nach Dienstschluss geladen werden können2, und das natürlich mit so genannter intelligenter Netztechnik, die die Last nach Bedarf verteilt. Denn andererseits schaffen die aktuellen Busse bereits eine vollständige Schicht (ca. 200km, s.o.) mit einer Ladung. Zwischenladungen sind im Bonner Busnetz wohl nicht nötig. Ich bin gespannt, was sich hier in den nächsten Jahren noch entwickelt.
- Ladeplatz
- Lange Leitung?
Damit ging dann ein eindrucksvolles Gastspiel zu Ende. Ein herzlicher Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns heute betreut haben und vor allem an die, die uns täglich mobil halten — egal ob auf oder am Fahrzeug.