Ein Schwerpunkt meiner kommunalpolitischen Tätigkeit ist die kommunale Entsorgungswirtschaft, ich bin Mitglied im Verwaltungsrat bei bonnorange AöR und im Aufsichtsrat der Müllverwertungsanlage Bonn GmbH (MVA). Bei bonnorange habe ich bereits drei Mal “mit angepackt” (s. hier, hier und hier), nun wollte ich auch wissen, wie so eine MVA eigentlich funktioniert. Herr Becker, der Geschäftsführer der MVA, war sofort bereit, mich einen Tag lang hospitieren zu lassen. Anders jedoch als bei bonnorange gibt es in einer solchen Anlage für einen Außenstehenden kaum Möglichkeiten, “einfach so” mit anzupacken und z.B. Tonnen zu wuchten.
Die Arbeitskleidung für den Tag war mir schon vor ein paar Wochen gestellt worden: Sicherheitsschuhe, Hose, Poloshirt und Helm. Denn ohne Schutzhelm geht es nicht in die Anlage. Eine Frage, die für mich lange im Raum stand, und deren Beantwortung ich mich heute weiter nähern wollte: Was ist eigentlich eine (thermische) Müllverwertungsanlage? Ist es “nur” eine Müllverbrennungsanlage oder ein Kraftwerk mit einem Brennstoff, den wir anderweitig eh nicht entsorgt bekämen? Denn wohin mit dem Müll, den wir nun einmal tagtäglich produzieren? Auf eine Deponie doch sicher nicht. Also: rein in die MVA und sich selbst einen Eindruck davon machen, was hier wie passiert. Das Tagesprogramm bildete im Grunde den Weg eines Müllpartikels durch die Anlage ab.
Arbeitsbeginn: 6:00 Uhr mit Öffnung der Waage an der Zufahrt zur MVA. Die ersten LKWs standen auch schon parat, sowohl kommunale wie vom REK (Zweckverband Rheinische Entsorgungskooperation) als auch von privaten Entsorgern. Kurze Zeit später kamen dann auch die ersten Fahrzeuge von bonnorange, nicht die so genannten Presswagen (auch landläufig Müllauto genannt, die ersten kommen so gegen 10:00 Uhr an der MVA an), sondern die Muldenkipper, die die Container z.B. von der Sammelstelle in Bad Godesberg bringen. Der Mitarbeiter an der Waage nimmt die Ladescheine der LKWs entgegen, auf denen u.a. der Entsorgungsnachweis des Anlieferers, der Inhalt der Ladung etc. angemeldet wird, der LKW wird gewogen, dann zur Entladung gelassen und bei der Ausfahrt wieder gewogen. Trotz teilweiser elektronischer Anmeldung wird alles auch auf Papier abgelegt.
Auf dem Platz vor den Schütttrichtern des Müllbunkers, der so genannten Wendeplatte, herrscht bald Hochbetrieb: die LKWs, teilweise sogar 40t-Sattelzüge vom REK werden von den Aufsichtspersonen an die freien Abkippstellen dirigiert, wo einer nach dem anderen seine Fracht entlädt. Es stehen fahrbare Leitern bereit, um ggf. Proben aus der Fracht zu ziehen und im MVA-eigenen Labor zu untersuchen. Das passiert vor allem dann, wenn der Verdacht besteht, dass die Fracht nicht dem in den Papieren deklarierten Material entspricht.
Natürlich hat die MVA eigene Werkstätten: eine Mechanik- und eine Elektrowerkstatt. Denn in einer solchen Anlage ist immer etwas zu reparieren oder — und das finde ich besonders bemerkenswert — mit “Bordmitteln” weiter zu entwickeln. Das fängt an bei Leitungen, die verlegt werden, weil der ursprüngliche Verlauf unpraktisch ist und hört beim Austausch von Leuchtstoffröhren zu Bewegungsmelder gesteuerter LED-Beleuchtung noch lange nicht auf. Ganze Aggregate zur Reinigung der Verbrennungsabgase werden intern weiterentwickelt und modernisiert, teilweise sogar mit bundesweitem Pilotcharakter!
Nach den ersten Runden mit dem Meister und dem Auszubildenden war es Zeit für die Frühstückspause — Zeit, um mit den Mitarbeitern über “ihre” Anlage zu sprechen aber auch um Fragen zu dem Wieso und Warum meines Besuchs zu beantworten.
- Mechanikwerkstatt I
- Mechanikwerkstatt II
- Auszubildender bei der Arbeit
Nun ging es aber in die MVA als solche. In Erinnerung an die Feuerzangenbowle drängt sich das Zitat “Wat is ‘en Dampfmaschin’?” auf. Auch hier könnte man versucht sein zu sagen, “dat is en große schwarze Raum mit vorne ’nem Loch und hinten ’nem Loch.” Aber so ganz trifft es die Sache dann doch nicht. Der Bunker, in den der Müll durch die Trichter geschüttet wird, ist ein großer, hellerleuchteter Raum mit zwei großen Kränen drin. Der Müll wird nämlich nicht unmittelbar in den Kessel zur Verbrennung gegeben, sondern erst einmal durch hin und her bewegen gemischt und einige Tage abgelagert. Und erst von einem solchen “homogenisierten” Haufen werden die drei Kessel je nach Bedarf beschickt.
Da es ab jetzt kompliziert wird (der Müll wird eben nicht einfach nur verbrannt), verweise ich auf den Längsschnitt durch die Anlage auf den Seiten der MVA (s. links). Am auffälligsten ist, dass auf die nicht gerade kleinen Müll- und Schlackebunker ein “übersichtlicher” Kessel und eine riesige Rauchgasreinigung folgen. Ich werde an dieser Stelle nicht versuchen, diese Rauchgasreinigung zu beschreiben oder gar zu erklären. Das kann nur scheitern — ich bin ja weder Chemiker noch Verfahrenstechniker. Ich verweise nur auf die Effizienz der Anlage: Bei einigen Schadstoffen hat sich die MVA deutlich geringere Grenzwerte selbst auferlegt, als es der Gesetzgeber verlangt. Und selbst die werden kaum erreicht (s. hier).
Die oben genannten Kräne werden von der seit einigen Monaten neuen Betriebswarte zwischen altem und neuem Müllbunker aus gefahren. Dort laufen nun alle Prozesse zusammen, die Kranfahrer (s.o.) und die Mitarbeiter, die die Anlage an großen Monitoren überwachen (sie läuft nämlich im Wesentlichen vollautomatisch), sind so zusammen “auf Schicht”. Einzig der Fahrer des Krans im Schlackebunker sitzt auf “Außenposition”.
Die Kessel müssen in regelmäßigen Abständen einer Revision unterzogen werden. Dazu wird jeweils eine der drei Linien stillgelegt. Wenn Kessel und alle weiteren Aggregate “auf Raumtemperatur” abgekühlt sind, können sie begangen, gereinigt und geprüft werden. Reinigen bedeutet hier unter anderem, dass der Kessel von innen sandgestrahlt wird, um so alle Anhaftungen auf der Innenwand und den Rohren, in denen der Dampf erzeugt wird (dazu später), zu entfernen. Ich hatte die Gelegenheit, in dem stillgelegten Kessel auf einem für die Revision eingebauten Gerüst vom sogenannten Rost, auf dem der Müll verbrennt, bis zum Übergang in den zweiten Rauchgaszug zu klettern — über eine ca. 5cm dicke Schicht aus mehlfeinem Staub, der beim Sandstrahlen übrig bleibt.
Was bleibt also vom Müll, der in den Bunker gekippt wird? Schlacken aus dem Kessel, Aschen aus der Rauchgasreinigung, gereinigte Abgase, die durch den Kamin gehen — und Dampf zur Erzeugung von Strom und Fernwärme. Denn durch eine Dampfleitung wird Heißdampf (400°C bei 40bar) über die Immenburgstraße in das benachbarte Heizkraftwerk Nord der SWB Energie und Wasser auf die Gas- und Dampfturbine geliefert. Hier wird einen Großteil der Fernwärme für den Bonner Nordwesten und Strom für die Bonner Bürgerinnen und Bürger zu produzieren, und das sogar bei einem weitgehenden Verzicht auf fossile Brennstoffe. Also ist die MVA ein Kraftwerk? Ich meine, ja.
- Grundstein der MVA
- Steuerungstechnik
- Zwei-Mann-Aufzug im Kamin
- Kein Raketensilo sondern die drei Abgasrohre im Kamin
A propos Kamin. Der Kamin der MVA ist mit seinen 98m Höhe über Grund und seinem auffälligen Anstrich eine bedeutende Landmarke in Bonn und Umgebung. Von dort oben hat man umgekehrt einen grandiosen Blick auf Bonn und Umgebung — wenn man sich denn überwindet und mit dem Aufzug auf’s Dach des Kamins fährt.
Zum Schluss: mein herzlicher Dank an alle Mitarbeiter der Anlage, die mich den Tag über begleitet haben, die mir ihren Arbeitsplatz gezeigt haben und mit denen ich interessante Gespräche führen durfte. Wieder ein spannender Tag, an dem ich weiter “Bonn von innen” kennen gelernt habe!
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