Bonn in Orange — Müllwerker für einen halben Tag.

Mein Arbeitsplatz für einen halben Tag.

Mein Arbeits­platz für einen hal­ben Tag.

Da sitzt man seit Jahr und Tag im Ver­wal­tungs­rat, beschließt Wirt­schafts­plan und Jah­res­ab­schluss, hat Teil an gro­ßen Umstruk­tu­rie­run­gen mit dem Ziel, die Abfall­ent­sor­gung sicher in kom­mu­na­ler Hand zu behal­ten, hat aber letzt­end­lich kei­ne Ahnung, wie es „auf der Stra­ße“ zugeht. Das wurm­te mich schon seit einer gerau­men Zeit und schon mit dem vori­gen Vor­stand (so heißt bei einer “Anstalt öffent­li­chen Rechts”, AöR, der Geschäfts­füh­rer) von bonnoran­ge hat­te ich Plä­ne geschmie­det, wie ich mal für eine Tour mit auf den Wagen kom­men kann. Auch mit sei­ner Nach­fol­ge­rin gestal­te­te sich die Zusam­men­ar­beit von Anfang an sehr gut. Es ging Schlag auf Schlag: Ter­min gefun­den, ein paar Tage vor­her Ein­klei­dung und Sicher­heits­be­leh­rung. Und dann hieß es: 6:30 Uhr Dienstbeginn!

Noch im Dun­keln vom Hof und in die Innen­stadt. Auf dem LKW sind wir zu dritt: der Fah­rer, der Revier­chef und ich. Vier Kol­le­gen sind bereits in der Stadt unter­wegs, um die Ton­nen aus Kel­lern (oder dem ers­ten Stock, wie ich auch ler­nen soll­te), aus Boxen oder sons­ti­gen Unter­stän­den raus zu stel­len, so, dass sie dann schnel­ler geleert wer­den kön­nen. Voll­ser­vice nennt sich das.

Buda­pes­ter Stra­ße, Frie­dens­platz, Ber­tha-von-Sutt­ner-Platz, Fried­rich­stra­ße, Markt­platz. Die ers­ten Ein­drü­cke, die ers­ten Ton­nen selbst geleert. Die Stadt wird wach, Men­schen lau­fen teils schlaf­trun­ken, einen Kaf­fee­be­cher in der Hand ihrer Arbeit zu, die Markt­händ­ler bau­en ihre Stän­de auf, man grüßt sich. Hier tref­fen wir dann auf die ers­ten bei­den Kol­le­gen, die bereits im Revier sind. Wir fan­gen an zu laden. Beim Hött­je die ers­ten rich­tig schwe­ren Ton­nen. Und *RUMMS* ver­schwin­det eine Ton­ne kom­plett in der Schüt­tung…?!? Kom­men­tar des Kol­le­gen: “Jo, das pas­siert halt.” Er drückt den Not­aus und fischt die Ton­ne wie­der aus der Schüt­tung. Den Deckel hat’s erwischt, der bleibt drin.

Dann geht es in die “Alt­stadt”. Mitt­ler­wei­le sind wir durch­gän­gig zu fünft am Wagen: Ton­nen zum Wagen zie­hen, ent­lee­ren und wie­der zurück zum Haus. Das alles in selbst­or­ga­ni­sie­ren­dem Cha­os, aber ohne Hek­tik: man geht zu den nächs­ten Ton­nen, zieht sie zum Wagen und ent­leert sie, wenn dann ein Kol­le­ge wei­te­re Ton­nen ran­zieht, ent­leert man die auch, wäh­rend er sie zum Haus zurück­bringt und selbst wei­ter­geht. So wie­der­holt sich das flüs­sig, umlau­fend. Dann gibt es Wege, die auch mal auf dem Tritt­brett am Heck des Wagens zurück­ge­legt wer­den. Mit bis zu 30 Sachen geht’s dann weiter.

Manch­mal scheint aber auch erst­mal Schluss zu sein: In den engen Stra­ße mit gepark­ten Autos und Fahr­rä­dern kom­men wir an man­chen Stel­len nur Zen­ti­me­ter für Zen­ti­me­ter vor­wärts. An Kreu­zun­gen wird es dann beson­ders span­nend. Mit gelenk­ter Hin­ter­ach­se, vie­len Spie­geln, der Heck­ka­me­ra und viel Ruhe schafft es der Fah­rer, den 16-Ton­ner (maxi­ma­le Zula­dung: 10 Ton­nen) durch jede Eng­stel­le zu manö­vrie­ren. Wenn hier die Feu­er­wehr durch müss­te, wür­den anschlie­ßend sicher eini­ge Außen­spie­gel auf dem Boden landen…

Und immer wie­der win­ken die Müll­wer­ker Men­schen zu. Men­schen, häu­fi­ge älte­re Men­schen, die am Fens­ter ste­hen, und viel­leicht schon auf ihre Müll­wer­ker gewar­tet haben. Ver­trau­te Gesich­ter, ein paar Wor­te flie­gen hin und her. Und auch Kin­der die mit leuch­ten­den Augen am Fens­ter ste­hen, win­ken, das gro­ße, blin­ken­de Auto bestau­nen. Kin­der am Stra­ßen­rand bekom­men dann auch schon mal einen Müll­wa­gen-Bas­tel­bo­gen oder eine klei­ne, rote Müll­ton­ne geschenkt. So wer­den aus anony­men Müll­wer­kern, die nur dafür sor­gen, dass die Ent­sor­gung funk­tio­niert (“kei­ne Ver­hält­nis­se wie in Nea­pel”) Men­schen mit Gesicht, einem wich­ti­gen Teil des täg­li­chen Lebens.

Nach gut zwei Stun­den sind laut inter­ner Waa­ge gut sechs Ton­nen Müll ein­ge­sam­melt. Zeit, zur Müll­ver­bren­nungs­an­la­ge (MVA) zu fah­ren. Die vier “Lader” blei­ben im Revier, stel­len die nun lee­ren Ton­nen wie­der in die Häu­ser, wäh­rend ich mit zur MVA fah­re: rauf auf die Waa­ge, eine Abkipp­stel­le am Bun­ker zuge­wie­sen, rück­wärts ran, Heck auf, Pres­se rück­wärts, in zweit Minu­ten ist alles raus und drin, Klap­pe wie­der zu, etwas vor­fah­ren, das, was dane­ben gegan­gen ist, zusam­men- und in den Bun­ker keh­ren, wie­der auf die Waa­ge und zurück ins Revier. Jetzt noch ein paar Kur­ven am Kai­ser-Karl-Ring, durch die Köln­stra­ße und dann um kurz vor 11:00 Uhr zurück zum Lie­ve­lings­weg. Damit geht ein inter­es­san­ter Vor­mit­tag zu Ende. Ich habe viel gelernt und span­nen­de Ein­drü­cke “hin­ter die Kulis­sen” der Stadt wer­fen kön­nen. Ein herz­li­cher Dank vor allem an die Kol­le­gen, mit denen es zusam­men rie­sig Spaß gemacht hat. Ihr habt mich nett auf­ge­nom­men und dabei sein lassen!

6 Gedanken zu „Bonn in Orange — Müllwerker für einen halben Tag.

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