Ich hab eine Weile darüber nachgedacht, ob es sich überhaupt in irgendeiner Weise lohnt, zu diesem Müll Stellung zu nehmen. Eigentlich ärgert es mich, dass es mich überhaupt beschäftigt. Aber es ist irgendwie zu ärgerlich, gar beängstigend, dass diese Art von Dummheit, Dumpfheit und Verachtung eine solche Macht gerade in den so genannten sozialen Netzwerken hat. Es geht um Katja Riemann. Eigentlich nicht um Frau Riemann, sondern um diesen Shitstorm, den ein Interview in einer dämlichen Vorabend-Talksendung beim NDR ausgelöst hat. Das habe ich mir in der NDR Mediathek am Samstag komplett angeschaut, weil ich über mehrere Artikel in der Zeitung — letzte Woche gar auf der Seite drei in der Süddeutschen, ziemlich divergierende Ansichten über den Verlauf dieses Gesprächs gelesen habe — und über die Folgen, eben den shitstorm auf der Facebookseite der Schauspielerin, erstaunt war. Also eine eigene Meinung bilden und diese Sendung anschauen. Das gibt Klarheit. Und ganz ehrlich — wenn eine Frau von der Eloquenz einer Riemann jemanden im Gespräch runtermachen will, sieht das anders aus. Demütigend waren die Fragen, die Ignoranz und Respektlosigkeit des Moderators.
Aber wenn man schonmal dabei ist, schaut man auch mal in die anderen Seiten an, die youtube zu diesem Thema anbietet. So bin ich auf einer dieser “Zickige Schauspielerin demütigt Moderator”-Seiten gelandet. Hier hat jemand mit enormen Sachverstand (sowohl was inhaltliche Fragen, korrektes Zitieren und ästhetische Grundregeln des Schnitts betreffend) mehrere Antworten/Wortbeiträge von Frau Riemann zusammengeschnitten und zieht daraus die Schlußfolgerung: eine unverschämte Demütigung des Moderators. Was mich noch mehr schockiert sind die Kommentare auf dieser Seite. 99,9 % Zustimmung, in ereiferndem bis geiferndem Ton wird dieses Machwerk als Beleg für eine angebliche charakterliche Unzulänglichkeit einer Frau benutzt. Und der eine User, der ein bisschen widerspricht, wird kollektiv in gleichem Ton niedergemacht.
Warum schreibe ich das, wärme hier nach über einer Woche einen Pseudo-Mediendiskurs nochmal auf, über den ja außer mir schon längst keiner mehr redet? Weil mich diese Kommentare erschreckt haben. Weil mir hier das erste Mal diese Hetzmeutenmentalität, die anscheinend von gar nicht so wenigen Menschen in der Anonymität des Netzes ausgelebt wird, begegnet ist. Was mich erschreckt ist die Gewalt, die Dummheit, die Verachtung für andere Menschen. Ich gestehe, ich habe mich für die bisherigen Shitstormgeschichten nicht interessiert. Stephan, der schon diverse Male von irgendwelchen Polemikern auf seiner Seite angegangen wurde, hört von mir dann immer nur: Löschen, von der Freundesliste streichen, Ignorieren, sonst wertest Du die noch auf. Haben die nix zu tun oder was; was setzt Du Dich auch diesen Idioten aus? Hier nun meine öffentliche Abbitte: Ja, es ist wichtig, seinen Standpunkt zu haben und zu verteidigen — auch gegen die Blödmänner der Welt. Und zwar mit vollem Namen und erhobenem Kopf.
Etwas nicht zu wissen oder nicht zu kennen ist nicht schlimm. Aber Dummheit gekoppelt mit Ignoranz und Arroganz, ist das Schlimmste, daraus wächst alles andere — bis zu tatsächlichen Gewalt. Wenn ich sehe, wie leicht das vielen fällt, wird mir schlecht.